Rede von Dr. Annamari Arrakoski-Engardt anlässlich der Veranstaltung ”Tag der deutschen Sprache” am 28.9.2024

Ihre Exzellenzen, sehr geehrte Zuhörerinnen,

ich danke Ihnen für Ihren Einsatz und Ihr Engagement bei dem Fördern der deutschen Sprache! Es ist großartig, mit so vielen motivierten Lehrerinnen und Sprachliebhaberinnen zusammen zu sein, die den Dativ lieben, auch wenn der Genetiv ab und zu seine Schatten wirft.

Heute feiern wir die Vielfalt der deutschen Sprache, die durch unser Bemühen, jedem Wort und jeder Person ihre geschlechtliche Gerechtigkeit zu geben, lebendig bleibt. Ob Schülerinnen oder Kolleginnen – alle fühlen sich mitgenommen, und das zählt! Oder fast alle, denn für das dritte Geschlecht fehlt eine Endung und Pronomen. Stattdessen wird das Ansprechen mit dem Namen und das Vermeiden vom direkten Ansprechen empfohlen. Oder man müsste wissen, zu welchen der binären Geschlechter sich die Person, die man ansprechen möchte, näher anfühlt.

Und so sprangen wir direkt in den Alltag der Aue-Stiftung: also an die Arbeit mit zwei Sprachen, deren Feinheiten und Unterschiede durch verschiedene Schichten der Kultur und Bildung gedeutet werden. In den Alltag mit der Arbeit des kulturellen Austausches der finnischen und der deutschsprachigen Kultur, also mit vielen Kulturen, denn die deutschsprachige Kultur zu fördern heißt nicht automatisch die deutsche Kultur in Finnland zu fördern. Dies alles verursacht eine Neigung zur Genauigkeit aber auch zu einer liebevollen Einstellung zu unserem Kulturgut und zu Wortspielen.

Wir in der Aue Stiftung wollen Verbindungen schaffen und können uns nicht der Realität verstellen, dass die Sprache – auch jede unserer Nationalsprachen sich radikal verändern. Wir und speziell die junge Generation stehen vor der Herausforderung eine eigene neue Europa Sprache zu finden – Dabei müssen sich unsere jeweiligen Nationalsprachen, zwischen Google+ und Siri-Spracherkennung, zwischen I-Translation und Übersetzungen auf Knopfdruck, ohne zu verarmen wiederfinden. Es wird also zu unseren Aufgaben gehören, die Vielsprachigkeit in Europa gegen Google und Co zu verteidigen – denn Sprache ist Kultur – zum anderen verfolgen wir aber auch das Ziel, gemeinsam eine inner-europäische Stimme zu bilden – und auch dafür brauchen wir eine gemeinsame Sprache, um die notwendigen Brücken bauen zu können und diese Sprache ist Englisch.

Ausdrücklich begrüßen und fördern wir das Erlernen der deutschen Sprache in Finnland und bewundern die Arbeit des Finnland Institutes – das Finnische in Deutschland zu vermitteln. Wir sind also für die Vielfalt der Sprachen, denken aber, dass wir auch mit einer (kräftigen) Stimme sprechen können müssen, um außerhalb eines exklusiven Kreises wahrgenommen zu werden.

Die Aue Stiftung konzentriert sich zurzeit an den folgenden Themen der Sprachunterricht oder Sprachen Lernens: Digitalisierung und Online-Unterricht, Gamification im Sprachunterricht, Förderung der Motivation der Schüler*innen und Hilfen zur Motivationsstrategien. Um die Herausforderungen des digitalen Unterrichts zu bewältigen haben wir das Gamification im Sprachunterricht als Mittel gewählt und gemeinsam mit Roman Schatz ein Kahoot-Spiel mit dem Namen Genie entwickelt. Bei der Entwicklung wurden Pilotversionen mit verschiedenen Schulklassen getestet und weiterentwickelt. Das Genie-Spiel beinhaltet in fünf Abschnitten die folgenden Themenbereiche: Landeskunde, Sport, Musik, Essen, Studium und Arbeit. Ich hoffe, dass einige von Ihnen das Spiel bereits kennt.

Weiterhin verteilen wir in der Aue Stiftung Lehrmaterialien und arbeiten in vielerlei Formen mit dem SSYL zusammen. Wir hören gerne Ihre Vorschläge an, wie Ihre Arbeit mit unseren Mitteln und im Rahmen unserer Statuten erleichtert werden kann. Die Aue Stiftung nimmt jährlich an der Educa-Messe am Anfang des Jahres teil, und auch da nimmt unsere Geschäftsführerin Johanna Hovilainen gerne Ihre Vorschläge an.

Die aktuellen Entwicklungen in der deutschen Sprache, z. B. Gendergerechte Sprache, Inklusion, sind auch Themen im Sprachunterricht. Wir behandeln u.a. diese Themen mit anderen aktuellen gesellschaftlichen Blickpunkten in unseren schriftlichen Beiträgen und in den Aue-Symposien, zu denen wir Sie sehr herzlichen einladen. Sie sind nicht nur für Deutschkenner von Interesse, sondern passen auch für Gymnasiasten und Teilnehmer der Erwachsenenbildung. Aufgrund der möglichst aktuellen und gerne auch kontroversen Diskussionssichtweisen wird die Paneldiskussion auf Englisch gehalten: nicht alle internationalen Redner können fließend Deutsch.

In unserer Sprachförderung müssen wir aber unseren Blickwinkel auch an die Schüler und ihre Eltern wenden, da die Entscheidungen eine Fremdsprache überhaupt zu wählen zu Hause gefällt wird sowie die Entscheidung für das Dabeibleiben. Nach einiger Überlegung haben wir uns entschieden, uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen also mit Deutschlehrern und der Schulen zu konzentrieren, da Sie für das Erhalten der breiten Sprachkenntnisse in Finnland wichtig sind. Mit einem gewählten Focus und konkreten Maßnahmen ist es möglich gute Ergebnisse gemeinsam zu erreichen.

Wir wollen Sie in der Motivierung der Schüler*innen helfen. Daher haben wir u.a. an der guten Video-Kampagne der deutschen Botschaft teilgenommen, um die beruflichen Perspektiven und wirtschaftliche Vorteile zu betonen. Deutsch als Sprungbrett für das Erlernen weiterer Sprachen sowie die Präsentation der akademischen Vorteile wollen wir in der Zukunft mehr hervorheben. Im Moment steht unser Forschungsausschuss mitunter als gutes Beispiel für berufliche Vorteile im akademischen Bereich da.

Wir arbeiten sowohl mit den Botschaften der DACH-Länder als auch mit den anderen deutschen Institutionen zusammen und organisieren von Zeit zu Zeit Wettbewerbe mit entsprechenden Preisen und wollen den Schülern durch Stipendien Anerkennung für die gute Arbeit im Deutschunterricht erteilen.

Unser Beitrag zur Förderung der Motivation der Schüler*‘innen variiert von Fingerpuppen für Sprachunterricht bis zum Ermöglichen von Kinobesuch mit einem deutschen Film oder eben den Abschlussstipendien für Deutsch am Ende eines Schuljahres. Besonders motivierend sowohl für das Lernen von Deutsch als auch für die kulturelle Attraktivität von Deutsch ist der Schüleraustausch. Schon eine Woche im deutschsprachigen Land kann den notwendigen Schub für den Abschluss geben, geschweige von einer längeren Zeit im Ausland. Dieser Bereich nimmt den größten Teil unserer finanziellen Unterstützung in Anspruch.

Von Sprachförderung zur Kulturförderung. Kultureller Austausch bezeichnet den wechselseitigen Prozess, bei dem Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander in Kontakt treten, Ideen, Bräuche, Werte, künstlerische Ausdrucksformen und Traditionen teilen und voneinander lernen. Das kennen wie alle gut.

Er fördert gegenseitiges Verständnis und Toleranz und kann in unterschiedlichen Formen stattfinden, wie etwa durch: Bildung oder Kunst und Musik in Form von internationaler Kunstausstellungen, Konzerte oder Theaterstücke, bei denen Künstler verschiedener Kulturen zusammenkommen. Technologie und Medien: Die Verbreitung von Filmen, Musik und Literatur über Landesgrenzen hinweg oder Sport: Sportveranstaltungen wie die Olympischen Spiele, die Menschen aus der ganzen Welt zusammenbringen. Und Reisen und Tourismus: Menschen lernen durch Reisen neue Kulturen kennen.

Wir in der Aue-Stiftung konzentrieren uns auf die erstgenannten Formen der Kultur und verstehen unter Kultur: Die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen und gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck ihrer Entwicklung.

Die Unterstützung der deutschsprachigen Kultur und der aktive Austausch zwischen Finnland und dem liberalen Europa lag unseren Gründern Theodor Aue, einem finnischen Geschäftsmann mit deutschen Wurzeln und seiner Frau, Ulla Aue im Herzen. Das Ziel unserer Gründer vor 39 Jahren war es, die Beziehungen zwischen Bürgern und Bürgerinnen von Finnland und dem deutsch-sprachigen Europa zu unterstützen und Diskussionen über Europäischen Werte – unter dem Motto: „Aus Leidenschaft für unser Europa und die deutsche Sprache“, zu fördern.

Es ist kaum zu verstehen, wie es dazu kam, dass in unserem Land, dessen gesellschaftlicher und somit zum Teil auch wirtschaftlicher Aufstieg auf Bildung basiert, das Wort Kultur jetzt im Brennpunkt ist. Vielmehr nicht nur das Wort, sondern die Kultur an sich. Beinhaltet sie doch das alles zwischenmenschliche, wenn man auf die ursprüngliche Erklärung des Wortes schaut. Es ist unsere Kultur, die wir verteidigen, es ist die Kultur, die uns mit anderen bindet oder trennt.

Die Arbeit mit Kulturaustausch in dieser Zeit erachte ich für eine herausfordernde Notwendigkeit und hoffe, dass unsere Stiftung ihren Beitrag an Verbreitung des Verständnisses für die kulturelle Vielfalt und Verständnis für andere, leistet. Denn das Ziel des kulturellen Austausches ist es, Vorurteile abzubauen, interkulturelles Verständnis zu fördern und die globale Zusammenarbeit zu stärken. Zu unserer Freude ist die Spannbreite der deutschsprachigen kulturellen Aktivitäten in Finnland groß, von Literatur und Musik zum Theater, Comic, digitalen Auftritte und Performances. Und zum Glück findet nicht alles im Großraum Helsinki statt.

(Die Sparmaßnahmen der finnischen Regierung sehen wir in der Flut der Stipendienanträge. Daher müssen wir sehr genau sein, was zu unserem Arbeitsbereich fallen kann und Unterstützung von uns im kulturellen Austausch bekommen kann.)

Zu Beginn spielte ich mit der Sprache und landete in den sprachbezogenen Gleichstellungsherausforderungen, die, wie so viele andere Fragen wurden in unserem Symposium zum Thema Gleichberechtigung letztes Jahr diskutiert. Dieses Jahr in unserer Symposien-Reihe Kultur – Archiv der Zukunft werden wir uns mit dem Thema künstliche Intelligenz unter dem Titel „Künstliche Intelligenz – zwischen Enthusiasmus, Skepsis und dem nüchternen Blick“ auseinandersetzen. Ein Thema, das unser Alltag in der Arbeit und Freizeit immer mehr beschäftigt oder gar uns führt.

Diesjährige Symposium am 1. Oktober in Helsinki mit Geraldine de Bastion, Jana Pejo Ska und Noah Bubenhofer unter der Moderation von Ruth Folterer ist bereits ausgebucht. Die weiterführende Veranstaltung in Zürich findet am 20. November statt. Ich freue mich über die gute Zusammenarbeit mit der Schweizer Botschaft in Helsinki und bedanke mich ganz herzlich bei Ihrer Exzellenz, der Botschafterin Frau Dallafior Matter. In Zürich organisieren wir das Aue-Symposium zusammen mit der finnischen Botschaft und dem Finnland-Institut. Die Kraft der Zusammenarbeit kann man nicht genug unterstreichen und wir hoffen unseren Beitrag für das positive Bild von Finnland im deutschsprachigen Europa zu leisten.

Zum Schluss muss ich eine persönliche Beobachtung mit Ihnen teilen. Im August haben wir in Finnland einen Weg aus der digitalisierten Schule gesucht, die Balance zwischen Fortschritt und Konzentrationsfähigkeit, zwischen Freiwilligkeit und Zwang gesucht. Ich spreche von den Handys im Schulalltag, welche Rolle sollen und dürfen sie spielen. Was kann eine einzelne Lehrerin/ein einzelner Lehrer oder eine Schule bestimmen. Wir lesen von Städten, die Handys vom Schulalltag verboten haben und von Schulen die den Weg zurück zu Büchern, Hefte und Stifte gewählt haben, um bessere Ergebnisse zu erzielen und Wohlbefinden der Schüler zu fördern.

Ich muss zugeben, dass ich wenig Verständnis für die Zeitspanne der finnischen erziehungspolitischen Reformationen habe. Während im gleichen Land in der Umweltpolitik eine Untersuchung und ein Pilotprojekt dem anderen folgt und wenig Ergebnisse aus diesen analysiert und in einem Gesetz oder einer Einstellung führt, wird in den pädagogischen Bereichen eine dem ganzen Land betreffende Reformation nach dem anderen durchgeführt, welche auf wenige Forschungsergebnisse oder Pilotprojekte basieren.

Daher ist es nicht wunderlich, dass wir jetzt über die Benutzung der Handys im Schulunterricht debattieren, weil wir sehr schnell auf die Digitalisierung auch in den Schulen gesetzt haben. Mut müssen wir jetzt haben, Korrekturen durchzuführen, da, wo sie notwendig sind. Obwohl die Welt immer digitaler wird und künstliche Intelligenz unser Alltag – wie oben erwähnt – schon weitgehend dirigiert. Auch wenn nicht ganz in dem Maase wie in Hararis neuestem Buch behauptet wird, wenn man Niclas Storås von Helsingin Sanomat Glauben schenken darf.

Aber zurück zu unserer gemeinsamen Sprache: Lasst uns über den Dativ lachen, der sich tapfer gegen den Genetiv behauptet, und die Eigenheiten feiern, die unsere Sprache so vielfältig machen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen wunderbaren Tag beim Fördern von unserer gemeinsamen Sprache!

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Weitere Rückblicke auf den Tag der Deutschen Sprache 2024 in Helsinki finden hier.