Sandra Reimann: „Tanz der Nordlichter“, „Saunahonig“ und „Arktischer König“ – Deutschsprachige Produktnamen mit Nord-Touch und mehr 

Deutschland ist bekanntlich einer der wichtigsten Handelspartner für Finnland. Wenn man den deutschen Markt im Blick hat, können Kenntnisse der deutschen Sprache und Kultur helfen. Ein Beispiel ist das finnische Unternehmen Arktischer-Honig Finnland, ein Familienbetrieb aus Südwestfinnland, der 1945 mit der Bienenzucht begonnen hat. Die Marke ist in Deutschland – zumindest Insidern – inzwischen gut bekannt. Weil die deutschsprachige Kundschaft wichtig ist, ist der „lebendige“ Online-Shop nicht nur in finnischer und englischer, sondern auch in deutscher Sprache verfasst. Eine echte Besonderheit ist es, dass die Etiketten auf den Honiggläsern in der Regel mit einem finnischen und einem deutschen Produktnamen versehen sind. Arktischer-Honig Finnland vertreibt seine Produkte auf deutschen Weihnachtsmärkten und setzt für den Verkauf auch finnische Germanistikstudierende ein.

Die Gestaltung von Produktnamen ist eine „Wissenschaft für sich“. Markennamen, Produktnamen und Brandings allgemein werden mitunter in komplexen Verfahren von Namenagenturen entwickelt und müssen heute nicht selten global einsetzbar sein. Kleine Unternehmen kümmern sich aber selbst darum und werden erfinderisch. Während sich also die Wirtschaft mit Produktnamen aus kommerzieller Perspektive beschäftigt, sind sie für die Wissenschaft aus anderen Gründen interessant.   

Aus Sicht der deutschen Sprachwissenschaft bietet Arktischer-Honig Finnland unter anderem mit seinen Produktnamen ein spannendes Untersuchungsfeld für Namenforscher*innen. Nur nebenbei sei erwähnt, dass die Erforschung von Produktnamen ein wichtiger Bereich der Sprachwissenschaft und auch der Werbeforschung ist. Entsprechend viel an Fachliteratur lässt sich hierzu finden. Aus Sicht der Angewandten Sprachwissenschaft ist auch die Textproduktion – wie werden Produktnamen kreiert? – und die Textrezeption – was denken die Kund*innen über die Namen? – interessant. Wie funktionieren Produktnamen und welche Aufgaben haben sie? Im Gegensatz zu Personennamen identifizieren sie nicht nur etwas ganz Bestimmtes, sondern auch ganze Gruppen von Objekten, die sich alle in der Regel völlig gleichen. Der Rezipient findet also über den Namen das gewünschte Produkt im Online-Shop, im Geschäft oder auf dem Weihnachtsmarkt. Das ist natürlich für den Verkauf sehr wichtig. Bei der Gestaltung von Produktnamen kann ein Unternehmen kreativ sein und beispielsweise bestimmte Assoziationen, die es bei den Kund*innen hervorrufen will, forcieren. Produktnamen können somit auch Werbung sein.

Rund 100 Artikel sind im Warenangebot von Arktischer-Honig Finnland enthalten (mitgezählt sind unterschiedliche Größen einzelner Sorten; neuerdings gibt es auch Fruchtaufstriche (Hillo), z.B. Blaubeer und Himbeer, jeweils gesüßt mit Honig). Die Produktnamen sind, wie schon erwähnt, fast immer sowohl in finnischer als auch in deutscher Sprache auf den Honiggläsern abgedruckt. Und da gibt es Spannendes zu entdecken. Denn es handelt sich beispielsweise nicht immer nur um wörtliche Übersetzungen der Produktnamen – also Lehnübersetzungen –, sondern offensichtlich werden auch andere (kulturelle) Gesichtspunkte berücksichtigt. Um Namen so zu gestalten, dass sie die Zielgruppe möglichst gut ansprechen, braucht es Vorwissen u.a. zu Vorlieben der potenziellen Käufer*innen und auch zu kulturellen Eigenheiten.

Der hohe Norden als Werbeargument

Mit Werbeargumenten sollen Produkte und Marken aufgewertet und von der Konkurrenz abgegrenzt werden. Ein (aufwertendes) Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Honig-Produkten, die die deutschsprachige Zielgruppe (in Deutschland) zu kaufen bekommen dürfte, ist das Merkmal ‚auf den Norden bezogen‘. Das wird bereits durch den Markennamen Arktischer-Honig Finnland deutlich, der bei einer kleinen privaten Umfrage (aus dem Kreise der deutschsprachigen Zielgruppe) Aufmerksamkeit erweckte im Sinne einer „contradictio in adiecto“: Wie passen arktische Eigenschaften mit Honigprodukten zusammen? Im Online-Shop werden unter der Kategorie Honig aus Lappland lokale Besonderheiten erklärt, zum Beispiel die positiven Auswirkungen der „nachtlosen Nächte“ auf den Geschmack des Honigs.

Unter der Perspektive der Werbung werden Produktnamen oft so gestaltet, dass sie möglichst gut zur Zielgruppe passen. Auch bei den Namen für die Honigsorten fällt auf, dass sie häufig einen Bezug zum Norden haben. Einige Beispiele sind Tanz der Nordlichter, Eisblume und Polarsommerzauber (der zugehörige finnische Name bedeutet allerdings ‚Die Magie einer nachtlosen Nacht‘). Bei der Sorte Inari Lapland wird die Produktherkunft nicht nur im Namen genannt, sondern auch in der Produktbeschreibung betont.

Dass die Hervorhebung des Merkmals ‚Norden‘ zielgruppen­spezifisch (differenziert) gewählt wurde, zeigt sich mitunter beim Vergleich der Produktnamen, die ja (fast) alle sowohl in finnischer als auch in deutscher Sprache aufgeführt werden: Es finden sich nämlich Abweichungen (von der möglichen wörtlichen Übersetzung). So hat beispielsweise eine Honigsorte den deutschen Namen Nordischer Sommer, heißt aber auf Finnisch Kesä-hunaja  (und das bedeutet ‚Sommerhonig‘). In den jeweils zugehörigen Teiltexten Beschreibung wird versucht, einen inhaltlichen Bezug des Produkts zu den Namen herzustellen. Einige weitere Benennungsmotive, die sich in den Namen zeigen, fallen auf: Inhaltsstoffe bzw. Bestandteile des Produkts sind naheliegend als Elemente in Produktnamen. Dazu gehören Beispiele wie Moltebeer Lapland, Blaubeer Lapland oder Buchweizenhonig. Beim Saunahonig werden Verwendungsort und ‑art (es geht zunächst nicht um den Verzehr!) benannt, wie aus der Produktbeschreibung deutlich wird: Man soll ihn als Peeling für müde Haut verwenden.

Kreativ ist der Produktname KöniGin, der mit der Schreibung des Wortes Königin spielt (Binnengroßschreibung), um eine der weiteren Zutaten (Gin) in der Benennung unterzubringen. Diese Bedeutungs­komponente wird aber bei ausschließlicher Großschreibung (KÖNIGIN) auf der separaten Produktseite nicht sichtbar (und das Wortspiel – zwei Bedeutungen – funktioniert natürlich auch nur in der schriftlichen Kommunikation; in der Aussprache wird man sich wohl für die Erwähnung der Spirituose entscheiden). Dass die Bedeutung des Appellativs Königin keinerlei Rolle spielt, wird im finnischen Pendant des Produktnamens noch deutlicher: Ginihani. Während die alkoholische Komponente (Gin) wiederum erwähnt wird, ist das Grundwort hani – laut Auskunft finnischer Muttersprachler*innen – die finnische Version für engl. honey in den Bedeutungen ‚Liebling’ und natürlich auch ‚Honig‘.

Die Nennung der Zielgruppe dürfte – vermutlich humorvoll – bei einigen Produktnamen das Benennungsmotiv sein. So gibt es die Sorte Vaters neuer Honigtraum, die u.a. Kognak, Apfel und Zimt enthält. Der finnische Name lautet Uuden Ukon Kesytys; die Bedeutung ist in etwa ‚Die Zähmung des neuen Alten‘ und damit ist der (künftige) Ehemann gemeint. Es findet sich auch ein finnischer Name, der ähnlich gestaltet ist und sich auf eine weibliche Zielgruppe bezieht. Aber der deutsche Produktname passt nicht in dieses Schema. Da heißt der Honig „neutral“ Winterfrische.  In der deutschsprachigen Produktbeschreibung wird auf die Zutat Eukalyptusöl hingewiesen. Die Assoziation zum Winter wird nur indirekt und punktuell zum Ausdruck gebracht (in heißen Getränken wie Tee).

Abschließend sei noch das Beispiel Arktischer König besprochen. Auf dem Honigglas ist – passend – eine Krone abgebildet. Diese Sorte ist auffallend, weil sie eine schwarze Farbe hat. Neben Honig sind darin Salmiak und Lakritzaroma enthalten. Der finnische Name lautet Jänkhäkunkku. Der erste Teil – Jänkhä – ist eine lappländische Form von jänkä und bedeutet ,ausgedehntes, baumloses Moor- oder Sumpfland‘, so dass die wörtliche Übersetzung Moorkönig sein könnte. Die Benennungsmotivation, die das Unternehmen auf Anfrage mitteilt, überrascht und geht auf die Kundschaft zurück: Der Name beruht nämlich auf einer Verwechslung. Die Kund*innen haben nicht Arktischer Honig, sondern Arktischer König gelesen. So ist die Idee zu diesem Produktnamen entstanden.

Für die potentiellen Kund*innen dürften vor allem die Zutaten in den Honigsorten und damit auch die Produktbeschreibung mit weiteren Informationen interessant sein. Finnische Germanistik-Studierende, die den Honig auf deutschen Weihnachtsmärkten verkauften, haben berichtet, dass deutsche Kund*innen gezielt nachfragen, auch weil der Honig nicht gerade billig ist. Henna Garrandt studiert Germanistik an der finnischen Universität Turku und arbeitete im Dezember 2022 auf dem Weihnachtsmarkt in Münster. Sie berichtet, dass die am meisten verkaufte Sorte in diesem Jahr das Aushängeschild der Marke, nämlich die Sorte Arktischer Honig, war, gefolgt vom Honig Tanz der Nordlichter. Zum Erfolg des Letzteren vermutet die Studentin, dass es am lieblich süßen Geschmack liegt – vielleicht auch ein bisschen am Produktnamen, der, wie sie meint, zur Stimmung eines Weihnachtsmarkts passt.

Dass sich die engen deutsch-finnischen Handelsbeziehungen in den Produktnamen spiegeln durch die zweisprachige Gestaltung der Etiketten ist auch aus interkultureller sprachwissenschaftlicher Perspektive sehr interessant. Für alle, die im Bereich der Textproduktion in der Wirtschaft oder anderen gesellschaftlichen Bereichen arbeiten (wollen), dürfte es ein schönes Beispiel dafür sein, wie hilfreich Sprach- und Kulturkenntnisse für unterschiedlichste Gebiete sein können.

Sandra Reimann

Sandra Reimann ist Professorin für Germanistik an der Universität Oulu und Vorsitzende des Forschungsausschusses der Aue-Stiftung.