Julia Kahrl: Kultur trifft Wirtschaft in der Deutschen Botschaft
08.03.2022Was macht man eigentlich an einer Botschaft? Und was macht man in einem Kulturreferat oder einem Wirtschaftsreferat? Es gibt doch Kulturinstitutionen wie das Goethe-Institut (GI) oder die Außenhandelskammer (AHK)? Und braucht man das alles noch in einem EU-Mitgliedsstaat?
Alles gute Fragen, die mir im Alltag schon begegnet sind – ausgesprochen oder unausgesprochen.
Was macht eine Botschaft: Wir sind Auge, Ohren und Mund der deutschen Bundesregierung in einem anderen Land – und wir vertreten Deutschland. Wir versuchen ein adäquates Bild von Deutschland heute zu vermitteln sowie für Zusammenarbeit – bilateral, in der EU und darüber hinaus – und globale Anliegen wie Menschenrechte, den Kampf gegen Klimawandel, für ein faires Wirtschaftssystem, kulturelle Vielfalt und vieles mehr – zu werben.
Ja, auch in einem EU-Mitgliedsstaat ist die Arbeit einer Botschaft sinnvoll und nötig – gerade weil wir in Brüssel über so viele verschiedene Themen verhandeln und uns einigen. Eine Botschaft erläutert zum einen die Hintergründe und Positionen des Gastlandes in Berlin und erklärt zugleich in Finnland die deutsche Position. In vielen Fragen sind wir mit Finnland auf einer Wellenlänge – aber bei manchen Dingen liegen unsere Ansichten auseinander: etwa bei der Rolle der Atomkraft. Und warum ist das Thema Wald für Finnland so zentral? Und warum für Deutschland Erdgas als Brückentechnologie und der schnelle Ausbau der Wasserstoffwirtschaft?
Dies sind einige Beispiele aus der Arbeit im Wirtschaftsreferat, wo wir diese und andere Themen bearbeiten. Das Wirtschaftsreferat müsste eigentlich „Referat für Wirtschaft, Handel, Finanzen, Klima, Energie, Umwelt, Digitalisierung, Landwirtschaft, Zukunftsthemen und alle EU-Fragen zu diesen Themen“ heißen oder so ähnlich. Denn all diese Fragen kommen hier vor. Außerdem halten wir enge Beziehungen zur deutsch-finnischen Außenhandelskammer, zur Außenhandelsförderungsgesellschaft „Germany Trade and Invest“ (GTAI) und zu Firmen und kümmern uns um Delegationen (in Nicht-Corona-Zeiten) aus Deutschland.
Im Kulturreferat geht es sehr viel um Kontakte und Netzwerke, in denen Institutionen und Personen zu Themen zusammenkommen und zusammenarbeiten. In Finnland freuen wir uns über eine große Zahl an engagierten und vielfältigen Mitstreitern auf dem Gebiet der deutsch- finnischen Beziehungen: Vom bereits erwähnten Goethe-Institut (GI) über die Deutsche Schule, die deutsche Bibliothek, die deutsche Gemeinde bis zu den Partnerschulen (PASCH), DAAD, Germanistiklehrstühlen, Sprachlernzentren und Verbänden, Stiftungen und Vereinen wie Aue-Stiftung, SSYL, der FC Germania und viele mehr. Ganz besonders eng ist auch die Kooperation mit den Botschaften der Schweiz und Österreich bei allem, was mit den deutschsprachigen Institutionen und der deutschen Sprache zu tun hat. Die Botschaft koordiniert etwa das „Netzwerk Deutsch“, bei dem wir unsere Förderung für „Deutsch als Fremdsprache“ und die Werbung für Mehrsprachigkeit in Finnland koordinieren. Z.B. wurde eine Sprachkampagne ins Leben gerufen, als die A1-Sprachenwahl in Finnland in die erste Klasse vorgezogen wurde.
Und gibt es auch Schnittmengen zwischen den beiden Referaten? Ja, die gibt es: Deutschförderung ist z.B. auch der AHK ein Anliegen, die darum Mitglied in unserem Netzwerk Deutsch ist und mit anderen Partnern gemeinsam die „Prüfung Wirtschaftsdeutsch“ für StudentInnen anbietet. Denn Deutschland ist für Finnland der wichtigste Handelspartner und viele Firmen suchen Mitarbeitende mit Deutsch-Kenntnissen.
Eine weitere Schnittmenge findet sich über Themen: So haben wir mit dem Goethe-Institut 2020 etwa eine Veranstaltung mit SchülerInnen zum Thema Klimawandel durchgeführt, bei der die SchülerInnen mithilfe der App „Earth Speakr“ Botschaften an die Politik aufgenommen haben. Zusammen mit GI, deutscher Gemeinde und AHK veranstalten wir zudem Konferenzen zum Thema „Ethik und Künstliche Intelligenz“.
Und hier sind wir schon bei einem weiteren Schnittpunkt: Der Digitalisierung – und zwar ganz praktisch. Corona hat uns auch dazu gezwungen, digital(er) zu werden mit unserer Arbeit: Es finden nicht nur Netzwerktreffen auf digitalen Plattformen statt, sondern wir haben sogar digitale PASCH-Tage für Deutschlernende durchgeführt mit digitalen Spielen und Business-Speeddating. Wir hatten einen virtuellen Besuch einer Holocaust-Überlebenden aus New York bei Schülern der jüdischen, deutschen und PASCH-Schulen und eine hybride Veranstaltung mit deutschen und französischen SchülerInnen zum Elysée-Tag 2021. Und wir haben mit dem GI eine deutsche Sprachversion für eine Sprachlernapp für Kinder von 3-8 Jahren finanziert („Moka Mera Lingua“), die weltweit kostenlos verfügbar ist.
Zudem nutzen wir immer mehr die sozialen Medien für unsere Arbeit. In Kürze starten wir mit einem neuen Format: den „Deutsch-Zeugnissen“ oder „Testimonials“: Kurze Videos, in denen uns Finninnen und Finnen erklären, wo bzw. warum sie Deutsch gelernt haben, wo sie es nutzen und uns ihr deutsches Lieblingswort verraten. Stay tuned und folgt uns unter @SaksaDiplo!
Am liebsten nutze ich einen alten Nokia-Slogan, wenn ich meine Arbeit an der Botschaft erkläre: „connecting people“. Wir wollen Menschen zusammenbringen und ihren Austausch, das gegenseitige Verstehen und die gemeinsame Verständigung fördern, damit neue Ideen und echte Zusammenarbeit entstehen können.
Julia Kahrl
Leiterin des Wirtschafts- und Kulturreferats der Deutschen Botschaft Helsinki