Dr. des. Benjamin Schweitzer: Dankrede anlässlich der Verleihung des ersten Forschungspreises der Aue-Stiftung
03.04.2025(am 18.3.2025 auf der Jubiläumsfeier zum 40-jährigen Bestehen der Aue-Stiftung)

Meine kleine Dankansprache möchte ich mit einem historischen Hinweis einleiten: Für den Stiftungsgründer Theodor Aue wäre das heutige Datum mit Sicherheit ein Feiertag – am 18. März 1992 nämlich stellte Finnland den Antrag auf Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft. Ich hatte vor gut einem Vierteljahrhundert die hochinteressante Aufgabe, das Archiv der Aue-Stiftung zu ordnen und zu katalogisieren, darunter viele Briefe, aus denen auch die zutiefst europäische Geisteshaltung der Aues hervorging.
Beeindruckend an der Korrespondenz ist die Zahl der Sprachen, mit der die Familie Aue sich untereinander und nach außen verständigte: Finnisch, Schwedisch, Deutsch, Russisch, bisweilen auch Französisch und Englisch. Als Absolvent eines Masterstudiengangs mit dem Namen „Sprachliche Vielfalt“ weiß ich, wie wichtig es ist, dass man einander in vielen Sprachen begegnen und verstehen kann. Manches lässt sich auf Schwedisch besser ausdrücken als auf Deutsch, manches kann man überhaupt nur auf Finnisch sagen, und so weiter. Daher ist es nicht allein für mich als Wissenschaftler hocherfreulich, das meine Dissertation mit dem Forschungspreis der Aue-Stiftung ausgezeichnet wurde. Es freut mich auch ganz unabhängig von der persönlichen Dankbarkeit im Namen der Linguistik und insbesondere im Namen des finnisch-deutschen Sprachaustauschs in Theorie und Praxis, in Forschung und Kommunikation.
Auf den ersten Blick handelt meine Arbeit zwar von der finnischen Musikfachsprache, doch bedeutet dies nahezu zwangsläufig, dass sie damit zu einem großen Teil auch vom Einfluss der deutschen auf die finnische Musikfachsprache handelt. Deutsch – und nicht etwa Italienisch – war in Finnland die lingua franca der Musik, als sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mit der Professionalisierung des Musiklebens auch die Konturen des Schreibens über Musik auf Finnisch ausbildeten. Aber auch heute noch trifft man finnische Komponistinnen und Komponisten regelmäßig auf Studienreisen in Deutschland an, und die musikästhetische Begriffswelt eines wichtigen modernen Komponisten wie Helmut Lachenmann findet Eingang in den finnischen Musikdiskurs. Die „Übersetzung“ deutschen Musikdenkens ins Finnische ist kein abgeschlossenes historisches Phänomen, sondern Bestandteil eines lebendigen Austauschs.
Deutschland als einstiges kulturelles Vorbild, von dem sich Finnland natürlich längst nicht nur emanzipiert, sondern das es in vielen Bereichen sogar deutlich überholt hat, ist also kein Phänomen von Abhängigkeit, sondern eine selbstverständliche und selbstbewusst reflektierte Komponente dessen, was wir „finnische Kultur“ nennen. Mein Forschungsschwerpunkt, die Kulturlinguistik mit ihren vielfältigen interdisziplinären Anknüpfungsmöglichkeiten, analysiert unter anderem solche Einflusslinien und ist so gesehen mit der Kernidee der Aue-Stiftung eng verknüpft. In diesem Sinne also nochmals mein herzlichster Dank an die Stiftung für die Etablierung dieses Preises und an die Jury dafür, dass sie meine Arbeit ausgezeichnet hat – verbunden mit den allerbesten Wünschen zum Stiftungsjubiläum!