Robert Schweitzer: Matti Klinge und sein Wirken für die Aue-Stiftung

Prof. emeritus Matti Klinge, Ehren-Mitglied des Beirats der Aue-Stiftung, ist am 5. März 2023 nach schwerer Krankheit gestorben. Der nationale und internationale Ruf dieses renommierten Wissenschaftlers erfährt zur Zeit in der Presse und der wissenschaftlichen Welt ihre angemessene Würdigung.

Hier soll deshalb nur auf seine besonderen Beziehungen zur Aue-Stiftung eingegangen werden. Durch meine lange Mitarbeit bei der Stiftung sind sie auch persönlich geprägt.

Matti Klinge war einer der Festredner bei ihrer öffentlichen Vorstellung durch Theodor und Ulla Aue im Finlandia-Haus 1988. Alle Nachrufe auf Klinge würdigen ihn als Vertreter unabhängiger Ansichten, und Theodor Aue suchte den Kontakt zu solchen Menschen. Dass er Gründungsmitglied des Beirats wurde, war bei seinen Forschungs- und Interessenschwerpunkten fast natürlich. Finnlands Zeit als autonomes Großfürstentum 1809-1917 war von Anfang an Klinges besonderes Forschungsgebiet und wurde nicht nur von ihm als „Kaiserzeit“ bezeichnet. In diesem langen Jahrhundert spielte sich auch der Aufstieg der Familie Aue in Moskau und Kokand ab, der Theodor Aue entstammte, und diese internationale städtische Welt des Russischen Reiches war ebenfalls Matti Klinges Petersburger Hintergrund.

Über drei Jahrzehnte begleitete Matti Klinge die Arbeit der Stiftung mit Anregungen und lebhaften Debattenbeiträgen im Beirat sowie als Vortragender bei Tagungen. Zum Beispiel sprach er über Helsinki als Hauptstadt beim VIII. Snellman-Seminar der Stiftung 2013. Dort war die Plakatausstellung über Deutschsprachige Menschen in der Immigrationslandschaft Helsinkis aufgebaut, die vom Verband der Finnisch-deutschen Vereine an viele Orte in Finnland und Deutschland vermittelt wurde.

Besonders setzte Klinge sich als Geschäftsführer der Niilo Helander Säätiö dafür ein, dass das erste Dokument deutscher Finnlandbegeisterung, ein Lob auf Finnland in 599 klassischen Versen, als attraktives Faksimile 2012 veröffentlicht werden konnte. Nur noch drei Exemplare waren von dem Druck nachweisbar, der 1808 das Bild von einem erfindungsreichen, arbeitsamen lesekundigen Volk in einer herrlichen Natur zeichnete. Er war in der Schulzeitschrift des damaligen deutschsprachigen Schulsystems des „Alten Finnland“ mit Zentrum Wiborg erschienen. Der Zuschuss von Helander Säätiö ermöglichte, das Werk mit Kommentaren zu versehen und im originalen Metrum in die drei anderen Sprachen des damaligen Wiborg übertragen zu lassen.

Im Jahre 2010 ermöglichte die Stiftung, dass Klinges „Itämeren maailma“, eine der wenigen Darstellungen der Geschichte des gesamten Ostseeraums, in einer ergänzten und aktualisierten Neuübersetzung auch auf dem deutschen Büchermarkt erschien. Die ersten Ideen dazu hatte er 1992 bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft der historischen Bibliotheken im Ostseeraum (Bibliotheca Baltica) in Lübeck entwickelt.

Diese Neuausgabe war für mich das Ergebnis intensiver Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit einem Historiker, der einen so breiten Horizont hatte. Matti Klinge und ich hatten nicht einmal besonders häufige Kontakte, aber er war immer für mich ansprechbar – ein ungewohnter Gedanke, dass dies nicht mehr so ist.

Robert Schweitzer

Robert Schweitzer ist Historiker und Mitglied des Beirats der Aue-Stiftung.